Toskana Tag 6

Distanz

94 Kilometer

Höhenmeter

267 Meter

Tag Sechs, 21.7.2012

Tag 6, Samstag, 21.7.

Cittadella – Montagnana, 94 Km, Netto- Fahrzeit  4:50 Std.

Sehr eben, viel Mais und Getreide, im Bereich der Eugeneischen Hügel auch Wein und Kiwis. Eine größere Apfelplantage habe ich nur ein Mal gesehen. Dafür ist es unüberriechbar, dass es Schweinezucht gibt, besonders gegen Montagnana  hin. Irgendwo muss der „Proscíutto Crudo di Montagnana“ ja auch wachsen!

Anfangs bin ich noch auf größeren Straßen, später fast nur noch auf wenig befahrenen Nebenstraßen unterwegs. Die Route habe ich so gewählt, dass ich die Städte Vicenza (im Westen) und Padova (im Osten) liegenlasse. Gegen Mittag ziehen dunkle Wolken und Wetterwind auf, es gibt nicht viele Möglichkeiten unterzustehen, aber ich finde kurz Schutz bei einem Gehöft an der Straße.

Kurz vor Montagnana bin ich bei einem Fotostopp schon aus den Clips, ich fahre ein paar Meter zurück und muss dabei  unbemerkt wieder hineingerutscht sein. Prompt falle ich beim Absteigen um, wieder auf den gleichen Ellbogen wie im Drautal, aber alles o.k. Von der Lenkertasche löst sich diesmal nur eine Niete…

In Montagnana steht zuerst natürlich eine Umrundung der ebenfalls von einer Mauer umgebenen  Stadt an. Sie ist größer als Cittadella, die Mauer ist aber niedriger. Eine wirklich nett verpackte Bezirksstadt mit einem großen Platz im Zentrum mit Cafès und dem Dom, wo später am Nachmittag eine Hochzeit stattfindet und am darauf folgenden Sonntag bei der Frühmesse ungeniert die Räder, mit denen hier viele unterwegs sind, angelehnt werden.

Ich hatte mir für diesen Ort kein Hotel herausgesucht und gehe erstmals in eine Touristeninfo. Drei Mädchen, sehr freundlich, aber nicht unbedingt die geballte Kompetenz (vielleicht ein Ferialjob?) und mangels Nachfrage wohl auch wenig Routine: Ein Stadtplan muss erst umständlich ausgedruckt werden, die Lage des Hotels wissen sie nur ungefähr, ob der angegebene Preis pro Zimmer oder pro Person im DZ gilt, wissen sie nicht.

Aber eine von ihnen weiß, dass in der Nähe der Porta XX Settembre, in der Via Circonvalazione, einmal ein Schuster war, denn ich suche eine Möglichkeit, meine Lenkertasche zu reparieren. Ich finde die Werkstatt in einem Innenhof, sehe aber auch gleich das Schild, dass Samstag geschlossen ist. Als ich schon dabei bin umzudrehen, kommt die Frau des Schusters, die ihren Roberto sogleich lautstark ruft, offenbar wohnen sie dort. Während wir auf ihn warten, erkundigt sie sich eingehend nach meiner Tour und sie erzählt, dass viele Holländer mit dem Rad nach Rom fahren und dabei in Montagnana vorbeikommen – und dass auch sie und ihr Mann Radtouren machen und Rom heuer noch ein Ziel sein werde. Als Roberto schließlich auftaucht, packt er in der kleinen Werkstatt sein ganzes Arsenal an Nieten und Schrauben aus, schließlich findet sich eine einigermaßen passende Schraube, die wir gemeinsam fixieren. Unterdessen plaudern wir über dies und das. Roberto, ein stattlicher, groß gewachsener Mann, der auf mich so gar nicht wie ein Reparaturschuster wirkt, erzählt mir, dass er in Treviso für eine Brillenfirma gearbeitet habe, aber dann zu seiner Frau, die in Montagnana einen sicheren Job in der Bank hat, gezogen sei. Als ich erzähle, dass es gar nicht einfach gewesen sei, ihn zu finden, erwähnt er nebenbei, dass er ja sogar im Internet zu finden sei. Tatsächlich habe ich ihn, zurück daheim, mit den Stichworten „Schuster in Montagnana“ gefunden. Jetzt weiß ich auch, dass er Roberto Turchetti heißt, früher Tormann bei Palermo Calcio in der Serie A war, jetzt aber, wie seine Frau, begeisterter Radfahrer ist und mit ihr zur Silbernen Hochzeit eine Radtour von Saint Jean Pied de Port am Fuße der Pyrenäen nach Santiago de Compostela gemacht hat. Google sei Dank! Für seine Hilfe nimmt er übrigens nichts. Roberto sei Dank!

In Montagnana wohne ich sehr zentral und gut im Hotel „Aldo Moro“ (70 Euro). Als ich den Herrn an der Rezeption darauf anspreche, ob der Name des Hotels in irgendeinem Zusammenhang mit dem (von den Brigate Rosse entführten und später ermordeten) Politiker der DC stünde, verneint er fast heftig: „Mein Großvater hieß Aldo Moro, mein Vater hieß Aldo Moro und ich heiße Aldo Moro. Das ist alles.“