Toskana Tag 12

Distanz

75 Kilometer

Höhenmeter

1.028 Meter

Tag zwölf, 27.7.2012

Castelnuovo d. G. – Passo del Vestito – Massa – Carrara – Marina di Pietrasanta, 76 Km, Netto- Fahrzeit  4:56 Std.

Das Turrite Secca Tal, in das es reingeht, ist eng, fast schon eine Schlucht, zum Glück gibt es kaum Verkehr. Anfangs fährt man zeitweise durch Alleen, die Hänge sind felsig, aber bewaldet bzw. mit Sträuchern bewachsen. Immer wieder kann ich Fotostopps mit willkommenen kurzen Pausen verbinden. Vorbei geht es an Isola Santa, einem kleinen Ort mit schiefergedeckten Häusern, der idyllisch an einem smaragdgrünen Stausee liegt. Teilweise ist es recht steil, aber zum Glück gibt es einen ersten Gang, den ich heute immer wieder brauche.

Ich bleibe bei einem Januskopf stehen, einem Stück offenbar unbehauenen Marmors, das jemand nahe der Straße platziert hat,  in dem man zwei Gesichter erkennen kann. Die Vegetation wird langsam schütterer, kahle Felsen rücken ins Blickfeld. Umso überraschter bin ich, auf einer Höhe von etwa 700 m einen Kirschbaum zu entdecken.

Bald danach geht es durch einen ersten unbeleuchteten Tunnel, etwa 400 m lang. Drinnen ist es zwar finster, aber man sieht das Licht am Ende und es gibt keinen Verkehr. Auf der anderen Seite gibt es einen aufgelassenen Marmorsteinbruch, bei dem beiderseits der Straße die Reste der Anlage vor sich hinrosten. Durch den ersten Hügel führt ein imposantes, aus dem Fels herausgeschlagenes Tor in eine Art Naturarena, wo sich eine Gruppe von Frauen mit einem männlichen Gruppenleiter befindet. Das Wenige, was ich höre und verstehe, bevor sie mich bemerken, ist irgendwo zwischen Esoterik- und Selbsterfahrungsworkshop angesiedelt („Welches ist dein stärkstes Gefühl?“:  „Angst“). Der Platz bietet sich dafür jedenfalls an, er hat eine besondere Atmosphäre, ob es ein „magischer Ort“ ist, wie der „Guru“ erklärt, weiß ich nicht.

Kurz nach diesem besonderen Platz kommt die Abzweigung, bei der links „Mare“ und rechts „Passo del Vestito“ ausgeschildert ist, ich bleibe auf dem rechten Weg!  In Arni, dem nächsten Ort, mache ich noch eine Pause bei einem Trinkbrunnen und fülle meine Flaschen auf. Da bin ich auf etwa 950 m Seehöhe und ich bin auf die 1151 m eingestellt, die ich der Karte entnommen hatte. Ich weiß nur nicht, wie sich das auf den paar verbleibenden Kilometern ausgehen soll. Senkrecht?

Es kommt noch ein Tunnel, seitlich rohe Felswände, diesmal stockfinster und auch kein Licht am Ende zu sehen. Dazu kommt schlechter, holpriger Straßenbelag, teilweise  ist es Schotter – und dazu gibt es Verkehr. Ein Motorrad, das von hinten kommt, dröhnt in dem Felsengewölbe, dass mir ganz mulmig wird und es fährt sehr knapp heran, bevor es mich überholt. Ich bin wirklich froh, als ich durch bin. Am anderen Ende des Tunnels wartet der Blick auf die Marmorsteinbrüche und ich sehe, dass die Straße von da weg nach unten führt. Ich bin am „Passo del Vestito“, dem höchsten Punkt bei der Überquerung der Apuanischen Alpen, das sind aber nur 1010 m, ich hatte mich in der Karte verlesen! Der Biker, der mich überholt hat, sagt mir, dass er mich erst im letzten Moment gesehen hat, da ich angeblich ohne Licht unterwegs gewesen sei. Tatsächlich leuchtet das Rücklicht nicht, vielleicht ist das durch die Rüttelei auf dem schlechten Belag passiert oder ich hatte es schlampig eingeschaltet. Ich bin jedenfalls doppelt froh, wieder an der Sonne zu sein!

Ich lasse mir Zeit und genieße die Aussicht auf die Marmorsteinbrüche, einer davon ist an der Bergflanke, an der auch ich stehe. Jene, die weiter entfernt, oberhalb von Massa oder Carrara gelegen sind, blitzen weiß an den Berghängen wie Schneefelder.

Die Abfahrt nach Massa ist ca. 20 Km lang, unterwegs gibt es einige Orte, die sich an die grünen Berghänge schmiegen, in einem davon halte ich für eine Mittagspause auf einer schattigen Terrasse. Von Massa mache ich noch einen Abstecher nach Carrara, ich habe aber nicht damit gerechnet, dass es da noch recht hügelig ist. Von Carrara fahre ich ans Meer und da geht es eben und gemütlich dem Küstenverlauf folgend bis Marina di Pietrasanta, wo ich mit meiner Frau noch einige entspannte Tage am Strand verbringe, bevor wir das Rad ins Auto verfrachten und die Rückreise antreten.