Mailand - Lyon Tag 1

Distanz

102 Kilometer

Höhenmeter

227 Meter

Prolog, 31.05.2015

Wir treffen uns am frühen Abend am Bahnhof von Graz, wo wir unsere Räder reisefertig machen, d.h. wir bauen das Vorderrad aus und schieben die Sattelstütze nach unten. Alois hatte zwei Transporttaschen besorgt, die es ermöglichen sollten, die Räder mit geringem Demontageaufwand in der Bahn mitzunehmen; wir sind schon gespannt, ob es akzeptiert würde, denn das waren schon noch immer ziemlich große Pakete. Jedenfalls stellen wir gleich fest, dass die Dinger noch immer recht sperrig sind. Wirklich bequem ist es nicht, mit dem Rad auf einer Schulter und dem gesamten Gepäck in der anderen Hand zum Bahnsteig und später in den Zug zu kommen. Da fließt sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt manche Schweißperle!

In Bruck steigen wir in den Schlafwagen nach Mailand um, wo wir ein Zweierabteil reserviert haben. Wir waren beide schon in Schlafwägen gefahren und ziemlich überrascht, wie eng dieses vergleichsweise war. Nachdem wir die Räder hineingewuchtet hatten um den Gang für die anderen Passagiere freizumachen, ist das Abteil voll und die Klappbetten sind nicht mehr zugänglich.

Wir wenden uns an den Schaffner, der meint, dass er, als er uns mit den Rädern sah, schon Platzprobleme befürchtet habe. Alles aber sehr gelassen und ohne bösen Unterton. Da das Nebenabteil verschlossen ist, vermuten wir, dass es frei ist und fragen den Schlafwagenschaffner, ob wir es nicht als Radgarage benutzen können. Zuerst zierte er sich noch ein wenig, schließlich schloss er es auf – es war schon aufgebettet – und wir können schließlich die Nacht jeder mit seinem Rad in einem eigenen Abteil verbringen. Wie romantisch! Vorher kaufen wir dem netten Herrn aber noch ein paar Dosen Bier ab, um die Nacht einigermaßen schlafend hinter uns bringen zu können.

Frühstück bekommenen wir noch im Zug und der Schaffner erhält ein ordentliches Trinkgeld, das ihn sichtlich freut (auch wenn er wohl eines erwarten durfte, seine Kundenfreundlichkeit war vorbildlich!).

Am frühen Vormittag erreichen wir den Bahnhof  Milano Centrale. Wir schleppen das Gepäck und die Räder in die Vorhalle, wo wir sie wieder zusammenbauen. Knapp vor 10:00 Uhr haben wir gesattelt und sind reisebereit.

 

Milano - Trino, 01.06.2015

102 Km, 227 Hm

Die Stazione Centrale ist im Nordosten Mailands und wir müssen durch die ganze Stadt, Richtung Westen. Diese Vorstellung hatte mir Unbehagen bereitet, das sich aber zum Glück als unbegründet erweist: Alois hat perfekt geroutet (viel auf Radwegen – auch wenn darauf schon einmal ein Markt aufgebaut ist!), und es gibt überraschend wenig Verkehr für eine Großstadt. Montags sind in Italien ohnehin viele Geschäfte geschlossen und wir erfahren später, dass es sich auch um einen Fenstertag handelt, da am darauffolgenden Dienstag Festa della Repubblica ist.

Nach etwa 12 Km sind wir am Stadtrand und wir fahren eine Weile entlang eines Kanals. Erste Reisfelder, Mais, Wiesen. Eben. Später immer mehr Reis, ab Kilometer 40 fast nur noch, teilweise geflutete, Reisfelder soweit das Auge reicht. Und das Auge reicht weit, denn es ist eben. Die Landschaft ist durchzogen von Bewässerungskanälen, dann und wann gibt es Pappeln. Wir sehen Raben, aber immer einzeln und nicht in Schwärmen; einige Male Fischreiher und weiße Vögel mit langen Beinen und langen, gebogenen schwarzen Schnäbeln, vermutlich Ibisse.

Orte, durch die wir fahren, wirken halb verlassen, immer wieder sind Schilder „se vende“ an Häusern zu sehen, die oftmals schon recht heruntergekommen sind, obwohl man manchen die ehemals stattliche Vergangenheit noch ansieht. In einer Kleinstadt haben wir Mühe, eine Trattoria zum Mittagessen zu finden, da fast alles geschlossen ist.

Auch am flachen Land kommen wir immer wieder an verlassenen und verfallenden Bauernhöfen vorbei, aber auch an wirklich großen Gutshöfen, in denen ein Mühlviertler Vierkanter zwei Mal Platz hätte. An der Azienda Agricola Castellana fahren wir direkt vorbei; sie hat eine Mauerfront aus Backsteinen zur vorbeiführenden Landstraße hin, die in etwa der Länge eines Fußballfeldes entspricht. In der Mitte gibt es ein großes Tor, am Ende die zugehörige Kapelle, die auf Grund der Größe schon eher die Bezeichnung Kirche verdient. Wahrscheinlich haben da einmal Dutzende Familien gelebt und gearbeitet. Erinnerungen an den Film 1900 von Bernardo Bertolucci kommen auf.

In Trino, einer Bezirksstadt nahe am linken Ufer des Po, haben wir im Hotel Il Convento, einem umgebauten ehemaligen Kloster, reserviert. Die Wirtin ist nett, der Garten ruhig, Zimmer und Badezimmer geräumig. Wir essen im angeschlossenen Ristorante Massimo Risotto (natürlich!) und eine Tagliata. Gut, sehr ausreichend und zu einem fairen Preis, allerdings von einem beträchtlichen Lärmpegel begleitet, da eine Gruppe von gut 20 jungen Männern den Polterabend eines Freundes im Restaurant feiert.

Nach dem Abendessen machen wir noch einen Spaziergang in die Innenstadt, in der die Gehsteige teilweise unter Arkaden liegen, ähnlich wie in Bologna oder Bozen. Sie ist allerdings beinahe ausgestorben und wir brauchen eine Weile, bis wir einen Platz mit zwei offenen Cafés finden.

Entgegen den Wetterprognosen sind wir übrigens tagsüber nicht nass geworden, nur während des Abendessens hat es geregnet.