Mittwoch, 4.9.2019 Nauders - Meran
Der Tag begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel und von Nauders geht es, entlang von Wiesen, auf denen das schöne Wetter zur Heuarbeit genutzt wird, gemütlich ansteigend zum Reschenpass bzw. zur Staatsgrenze. Die ehemaligen Zoll Abfertigungsgebäude sind leer, aber zwei Beamte der Guardia di Finanza stehen an der Grenze und werden aktiv, als sich ein LKW mit bulgarischem Kennzeichen nähert.
Von der Grenze ist es nicht mehr weit zum Reschensee, einem 6 Km langen Stausee, in dem u.a. das Wasser der Etsch für ein Speicherkraftwerk gestaut wird. Die Sicht ist klar und es gibt einen wunderbaren Blick über den See zu den Bergen und Gletschern in der Ferne. Entlang des Sees gibt es zahlreiche Radfahrer, die fast alle ein Ziel zu haben scheinen: Den versunkenen Turm im Reschensee, das Wahrzeichen des Vintschgau, wo auch wir für einen kurzen Fotostopp halten.
Für die betroffene Bevölkerung von Graun und Reschen war die Errichtung des Stausees wohl weniger malerisch, als er sich bei unserm Besuch präsentiert. In den 20er Jahren, in der Zeit des Faschismus, wurde mit der Planung und dem Bau einer 22 m hohen Staumauer begonnen, nach dem 2. WK wurde das Projekt fertiggestellt. 677 Hektar Land wurde geflutet, etwa 150 Haus- und Hofbesitzer zwangsenteignet und die Einwohner zur Aus- oder Umsiedlung gezwungen. Der romanische Kirchturm aus dem 14. Jhdt., heute unter Denkmalschutz, erinnert auch daran.
Kurz nach dem Reschensee passieren wir noch den deutlich kleineren Haidersee, auf dem ein paar Fischerboote dümpeln, bevor die Abfahrt auf herrlich asphaltiertem Radweg beginnt. Zwar kann man es nicht immer voll laufen lassen, da es auch Gegenverkehr und einige unübersichtliche Stellen gibt, sie ist aber trotzdem genussvoll. Die Bauern sind auch hier bei der Heuernte, teilweise händisch auf steilen Wiesenflecken; die schönen Tage wollen genutzt sein!
Der erste Ort, den wir erreichen ist Burgeis, wo wir gleich am Ortseingang eine schöne romanische Kirche passieren. Nach dem Ortsende sind die mächtige Fürstenburg und das Benediktinerkloster Marienberg nicht zu übersehen.
Unterwegs fällt auf, dass nicht nur Obstplantagen, sondern auch Wiesen bewässert werden. Wir erfahren, dass das mit der in Südtirol üblichen Verteilung des Wassers zu tun habe: Jeder Grundbesitzer erhalte eine bestimmte Menge an Wasser, das er nutzen darf.
In Glurns, dem Geburtsort von Paul Flora, machen wir Kaffeepause. Richtigerweise sollte es heißen: der Geburtsstadt, ist Glurns mit rund 900 Einwohnern doch eine der kleinsten Städte der Alpen und die einzige Stadt des Vintschgau. Immerhin gibt es eine vollständig erhaltene Stadtmauer! Und es gibt auch viele Touristen, oft Radfahrer, die entlang der Etsch unterwegs sind.
Ab Glurns folgen auch wir dem Lauf der Etsch talauswärts. Obstplantagen, Wiesen und Maisfelder wechseln sich ab. Es sind viele Radfahrer unterwegs. Ein kleiner Teil wie wir, mit dem Gepäck für eine mehrtägige Tour, die meisten aber offenbar auf Tagesausflügen mit Rennrad, Trekking- oder Mountainbikes, häufig e-Bikes.
Nach der Mittagsrast in Laas geht es weiter zwischen Apfelplantagen. Äpfel, Äpfel, Äpfel soweit das Auge reicht, der ganze Talboden ist bedeckt. Ob sie die Größe der Plantagen wohl in Km² statt in Hektar messen…? Man steht offenbar kurz vor der Ernte, die großen Kisten stehen bereit. Der Radweg führt abwechselnd entlang der Etsch oder direkt zwischen den Apfelanlagen hindurch. Nach der Ortschaft Latsch bemerke ich erstmals einige kleine Weingärten, die nach und nach, v.a. an den Hängen des Tales, mehr werden. Der Talboden ist nach wie vor eine einzige Apfelplantage, dazwischen gibt es einzelne Felder mit Karfiol. Wenig überraschend passieren wir auch einige riesige Obstlagerhäuser.
Nach Latsch nimmt aber nicht nur der Weinanbau zu, sondern auch der Gegenwind, der zeitweise recht heftig bläst und den Vorteil, entlang der Etsch relativ gemütlich dahinzuradeln, wieder aufhebt.
Bald nach Plaus fällt der Weg steil hinunter nach Meran, das im Tal, am Zusammenfluss von Etsch und Passer liegt. Zu unserem sehr schönen Hotel Bavaria müssen wir auf der anderen Seite allerdings wieder hinaufstrampeln. Wir sind früh genug dran, um noch bei Tageslicht einen Spaziergang durch die Altstadt machen zu können. Für das Abendessen folgen wir dem Tipp einer Südtiroler Freundin und gehen ins Kallmüenz. Nicht billig, aber sehr gut!